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Wohin geht Auferstehung?

Ostern gilt als Frühlingsfest. Das Leben kommt zurück. Das gilt auch für die Religion. So kommt Jesus, am Kreuz hingerichtet, lebend zu seinen Anhängern zurück. Die Christen fühlen sich bis heute in der Überzeugung bestätigt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. In welcher Wirklichkeit leben die Verstorbenen?

Es gibt eine Ahnung von einem anderen Leben, das sich nicht so mühsam anfühlt und in der das Glück immer wieder zerrinnt. Das Leben selbst geht auf dieser Erde auf ein Ende zu. Das konnte ich an meinem Vater beobachten. Er ist 103 Jahre alt geworden und nicht an einer Krankheit gestorben. Ihm ist in seinen letzten Jahren das Leben zur Last geworden. Er war bis kurz vor seinem Tod noch geistig ganz da, konnte aber nicht mehr lesen. Er erklärte uns, er könne aus der Reihe der Worte den Satz und damit die Aussage, nicht mehr zusammenfügen. Musik verschwand aus seinem Tagesablauf. In den letzten Tagen wollte er nach Hause fahren. Die Orte wechselten, es waren immer solche, in denen er gewohnt hatte. Er wollte die Reise in die andere Wirklichkeit antreten.

Suche nach Beheimatung

Wird die Sehnsucht enttäuscht, eine neue Heimat vorzufinden? Menschen berichten, mit einem Fuß schon in dieser Welt gewesen zu sein. Von hier aus betrachtet, waren sie dem Tod nahe, meist lagen die im Koma. Sie berichten, dass sie nach einem Durchgang durch einen Tunnel in ein warmes Licht getaucht wurden, in dem sie Liebe spürten. Auch sprechen sie davon, dass sie wieder zurückgeschickt wurden. Die Interpretation dieser Erfahrungen steht noch aus. Solche Berührungen mit einer Wirklichkeit, die wir in glücklichen Momenten erleben, führen zu dem Ausruf "ich fühle mich wie im Himmel". Dem stehen die Mühen der Ebene entgegen, in die der Glückliche zurückkehren muss. Licht gehört zu dieser anderen Wirklichkeit, wenn wir sagen, es sei uns "ein Licht aufgegangen".

Zu der anderen Welt gibt es keine Entfernung

Die Christen nehmen durch die ganze Geschichte die Erfahrung mit, dass Jesus erscheint und sich wieder entzieht. Er ist nicht mehr wie wir durch unseren Körper an einen Ort gebunden. Er ist jedoch als derselbe erkennbar. Auch feiern die Christen weltweit das Abendmahl und gehen davon aus, dass Brot und Wein ihn an jedem gegenwärtig werden lassen. Die Kirche wird auch "sein" Leib genannt.
Diese andere Wirklichkeit können wir durch die Physik etwas besser verstehen. Denn mit der Allgemeinen Relativitätstheorie ist unsere Vorstellung ausgehebelt. Damit ändert sich nicht unser Vorstellungsvermögen. Nur im Denken können wir uns den Kosmos anders als in einem noch größeren Raum schwebend denken. Diesen Raum gibt es nicht, denn Raum entsteht erst mit der Ausdehnung des Weltalls. Auch die Zeit gibt es nur im Zusammenhang mit Materie. Materie "macht" erst Raum und Zeit. Weil es die andere Wirklichkeit nicht in diesem Kosmos „ist“, gibt es auch keine Entfernung. Diese andere Wirklichkeit ist uns sogar näher das, was aus Materie entsteht. So wie Jesus direkt an jedem Ort sein kann, sind die Verstorbenen nicht entfernt von uns.

Die andere Wirklichkeit ist zu nahe

Die Erkenntnis, dass nur wir in Raum und Zeit leben, hatten die Menschen in der Vorzeit nicht. Sowohl in der griechischen wie in der jüdischen Vorstellung blieben die Verstorbenen in der Unterwelt, also in dieser Welt. Erst im 6. Jahrhundert ging einigen Denkern in Griechenland, den jüdischen Propheten, Denkern in Indien und in China auf, dass es noch eine andere Wirklichkeit gibt. Aristoteles nennt diese Meta-Physik, über das Physikalische hinaus, lateinisch Transzendenz, das, was diese Welt übersteigt.
Weil die andere Wirklichkeit nicht entfernt von uns ist, ist sie uns so selbstverständlich wie die Luft. Sie ist auch überall da. Die Menschen haben aber lange gebraucht, sie wie ein Gas zu verstehen, die uns wie selbstverständlich atmen lässt. Die andere Wirklichkeit ist immer schon da, wenn wir z.B. über Gut und Böse entscheiden. Gut und Böse gibt es in der Physik nicht. Sie ist auch in der Sehnsucht, endlich in ein Paradies zu kommen. Auch mit unserem Schuldgefühl sind wir nicht mehr ganz in der Materie, auch wenn Hunde oder Affen sich eines Fehlverhaltens bewusst zeigen. Mit den ethischen Vorgaben, die jede Kultur ähnlich formuliert wie die 10 Gebote, wird unser Verhalten nicht durch Naturgesetze gesteuert. Sogar die Mafia entwickelt ein ethisches System. Auch wenn es sich von den 10 Geboten erheblich unterscheidet, formulieren sie Verhaltensnormen, die nicht aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ableitbar sind.

Es gibt kein Wo mehr für die Verstorbenen

Die andere, meta-physische Wirklichkeit wahrzunehmen, ist nicht selbstverständlich. Erst einmal gibt es nur diese Erde. So lange die andere Wirklichkeit nicht bewusst wahrgenommen wird, vermutet man die Verstorbenen in einer Unterwelt. Erst wenn sich die Religion und die mit Sokrates beginnende Philosophie der anderen Wirklichkeit bewusst werden sucht man noch in dieser Welt einen Aufenthaltsort der Toten. Erst indem eine Wirklichkeit bewusst wird die uns noch näher ist als die Luft, können wir Transzendenz wahrnehmen. Wahrscheinlich ist die afrikanische Kultur ähnlich zu verstehen. Die Verstorbenen werden neben dem Dorf beerdigt. Sie bleiben so für die Lebenden in der Nähe. Das können wir in der christlichen Religion übernehmen. Die Toten sind uns ganz nahe, zumal Jesus sagen kann: Wo Zwei oder Drei sich in meinem Namen versammeln, bin ich dabei.


Kategorie: Entdecken

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